Inklusion

Ein Mann, eine Frau und ein Stern

19. September 2022 / Keine Kommentare

Prof. Luise F. Pusch schreibt 1984:

“Wenn Ute Schülerin ist und Uwe Schüler, dann sind Ute und Uwe Schüler, nicht Schülerinnen-denn Uwe verträgt das Femininum nicht.“

Die Linguistin haben Anfang der 1980er-Jahre vieler solcher Textpassagen aufgespürt, bei denen die deutsche Sprache ungenau ist, vom männlichen Wesen als Norm ausgeht und Frauen dies ertragen. Sind wir heute auch nur einen Schritt weiter? Leider nein.

Auch das Sternchen ist hier keine Hilfe.

Ute und Uwe sind Schüler*innen.

Ob dieser Satz inhaltlich stimmt, ist die große Frage. Vielleicht sind ja auch Ute und Uwe allergisch gegen den Genderstern und sagen: “ Der passt nicht zu uns!“

Bei großen, gemischten Gruppen erfüllen Genderzeichen verlässlich ihre Funktion. Wir können davon ausgehen, dass sich Menschen aller Geschlechter darunter befinden. Je kleiner die Gruppe ist, desto größer muss die Gewissheit sein, dass die Markierung mit dem Genderzeichen richtig ist. Einige Genderfans argumentieren: Wir müssen immer von der Möglichkeit ausgehen, dass jemand die eigene geschlechtliche Identität infrage stellt und sich eines Tages dazu bekennt. Es gibt bekannte Bespiele, wo Menschen lange mit sich gerungen haben und sich erst im fünften oder sechsten Lebensjahrzehnt geoutet haben, wie die US-Amerikanerin Caitlyn Jenner aus dem Kardashian-Clan, wie Georgine Kellermann, Leiterin des WDR-Studios Essen, oder wie Johanna Schmidt-Ränsch, Richterin am Bundesgerichtschof. Auch bei Jüngeren kommt für Außenstehende das Outing immer überraschend. Elliot Page, US-Schauspieler, war 33 Jahre alt, der deutsche Balian Buschbaum, früher erfolgreich im Stabhochsprung, heute Speaker und Trainer, war 27 Jahre alt.

Weil nie sicher ist, ob sich in der beschriebenen Gruppe eine genderfluide Person befindet, sind manche recht großzügig in der Verteilung von Genderzeichen. Gendersensibler ist es, von Falschbezeichnungen abzusehen und mit der Identität einer jeden Person respektvoll umzugehen. Deshalb ist oft die direkte Frage angebracht: “Wie möchtest du, wie möchten Sie bezeichnet werden?“

Stehen die Fakten, ergeben sich in der Darstellung von zwei Personen sprachlich interessante Herausforderungen. Spielen wir das mal durch:

Zwei Frauen, die einen Buchladen zusammen führen, sind Buchhändlerinnen. Die zwei Männer von der Konkurrenz sind Buchhändler.

Ist bei dem ersten Buchladen eine der beiden trans-, intergeschlechtlich oder nicht-binär, bietet es sich an, Buchhändler*innen zu schreiben. Dies vorausgesetzt, dass diese Person so bezeichnet werden will. Manche trans Frauen sagen von sich: “ Ich bin eine Frau- bitte keine Sternchen.“ Bei der gleichen Konstellation im zweiten Buchladen müsste es folgerichtig heißen: Buchhändler*: Von den beiden ist keine Person weiblich, also ist ein -innen-Anhängsel überflüssig. Will der trans Mann kein Aufheben darum machen, bleibt e beim Wort Buchhändler.

Ist Ihnen das alles zu kompliziert, arbeiten Sie mit den vollen Namen: “Peter Müller und Kim Schmidt führen gemeinsam den Buchlanden:“ Wie ist es, wenn der Buchladen einer Frau und einem Mann gehört? Bei einem Ehepaar können Sie immer sagen: Der Buchladen gehört dem Ehepaar Maier. Sind die beiden nicht verheiratet oder haben ihre Nachnamen behalten, geht es auch so: “Petra Maier und Hans Krüger gehört der Buchladen. Sie sind schon lange ein Paar:“ Wollen Sie einen Satz schreiben ohne die Namen, sind die beiden weder Buchhändler noch Buchhändlerinnen. Hier lebt am besten das verstoßende Binnen-I wieder auf: BuchhändlerInnen. Es steht nur für binäre Verhältnisse, passt hier also perfekt.

Bei Ute und Uwe, dem Beispiel von Luise F: Pusch, ist es vielleicht einfacher, sie machen eine neutrale Umschreibung.

Nach anderen Worten zu suchen, hilft in vielen Fällen:

Ute und Uwe gehen in dieselbe Schule.

 

Quelle: Olderdissen, Christine – Genderleicht – Wie Sprache für alle elegant gelingt, Duden Verlag

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