Hallo. Schön, Dich zu sehen!

JAM-Interviewreihe – Ein Gespräch mit Leon M.

Im Gespräch mit Leon Müller aus Würzburg, 24 Jahre alt und von Geburt an Sehbehindert.

Arbeit und Inklusion (Symbolbild) / © Andi Weiland (Gesellschaftsbilder.de)

Unterwegs mit Langstock (Symbolbild) / © Andi Weiland (Gesellschaftsbilder.de)

1. Magst du dich vorstellen? Wie heißt Du, wie alt bist Du und wie sieht dein Alltag so aus? Ich heiße Leon Müller, bin 24 Jahre alt und bin seit meiner Geburt Sehbehindert. Ich interessiere mich für Kinofilme bzw. gehe gerne in Kino und mag das Themenfeld Gaming.

2. Was sind deine Hobbys? Ich programmiere sehr gerne Computerspiele und habe dafür sogar eine eigene Homepage (www.iamtalon.me). Des Weiteren bin ich musikalisch sehr aktiv. Ich mag Elektro, Metal, Hip Hop und schreibe auch selbst eigene Songs. Ich liebe Filme, insbesondere Science Fiction und Action-Filme. Sonst lese ich gerne, hier dann primär Horrorliteratur.

3. Du magst Kinofilme bzw. gehst gerne ins Kino? Wie gestaltest du einen Kinoausflug bzw. welche Tools/Apps nutzt Du für deinen Kinobesuch? Du möchtest bestimmt wissen, wie ich die Filme sehen kann. Also es gibt Filme mit Audiodeskription, das ist aber nicht bei allen Filmen der Fall. Sehende macht das Wahnsinnig. Es gibt die Seite https://audiovault.net/, auf welcher man Audiodateien zu Filmen findet, meistens aber auf englisch, es gibt nur wenige in deutscher Sprache und dann nur bei deutschen Filmen. Also eher „Mord in der Nordsee“ als „Herr der Ringe“.

4. Spielen Kinos diese Audiodeskriptionen auch manchmal ab? Nein, es gibt eine App, die heißt Greta (https://www.gretaundstarks.de/greta/), die App wartet bis der Film anläuft und synchronisiert ihn dann als Audiodeskription wenn man den Film vorher runtergeladen hat. Dann hört man den Film und gleichzeitig die Audiodeskription.

5. Hast du das Gefühl, dass die Zahl der Filme, für die es eine Audiodeskription verfügbar ist, zunimmt? Es gibt wirklich schon sehr viele, auch Serien. Nur viel mehr in englischer Sprache. Das ist aber wirklich nichts Neues, das gibt es seit über 20 Jahren.

6. Wie findest du die Infrastruktur im Kino? Also Ticketkauf, räumliche Barrierefreiheit etc.?  Da würde ich schon immer jemand Sehenden mitnehmen, weil es ist oft voll, man hat Snacks im Arm und muss sich irgendwie orientieren. Ich muss dann auch den Saal und den Sitzplatz finden, da bringt nachfragen nicht viel. Selbst wenn mir jemand den Platz zeigt und mich da hinsetzt, finde ich danach den Ausgang nicht mehr.

7. Kann man sich an das Kinopersonal wenden? Damit hab ich bisher keine Erfahrung gemacht. Ich gehe eigentlich wenig ins Kino, weil es wenig Audiodeskription gibt. Man kann aber auch Filme ohne Audiodeskription schauen, das geht. Deshalb schau ich gerne Horrorfilme, die sind gut im Sounddesign und man kann sich auch vorstellen, was passiert, bei Psychothrillern zumindest - Saw ist ein gutes Beispiel. Wenn im Film viel geredet wird ist es viel verständlicher, sonst ist es wirklich eher schwierig.

8. Du bist ja auch sehr an Computerspielen interessiert und programmierst selber. Wie ist es wenn du selber spielt? Welche Spiele spielst du bzw. wie gehst du da vor? Es gibt sogenannte Audiogames, die für Blinde konzipiert sind: Man sieht im Spiel nichts und muss sich auf sein Gehör verlassen. Die Sounds sind im Stereofeld aufgebaut. Ein Beispiel wäre: Man steht in einem ein Quadratmeter großen Raum und hört mehrere Leute um sich herum. Dann hört man auf der rechten Seite des Raumes ein Klick-Geräusch, welches eine Tür sein könnte. Dann dreht man sich mit dem Controller zu dem Geräusch hin und läuft auf das Geräusch zu. Je lauter das Geräusch ist, desto näher ist man an der Tür. Wenn man an der Tür ist, drückt man "ENTER" um sie zu öffnen. Der Rest wird durch Sprache ausgegeben.

9. Hast du eigene Controller, wenn du selber spielst, oder nutzt du die gängigen Controller?
Es gibt auch sehende Spiele, die für Blinde spielbar sind, z.B. das Playstation-Spiel "The last of us", das ist für Blinde konzipiert worden. Ich nutze sonst keine speziellen Controller; ich versuche aber gerade GTA umzukonzipieren, damit es für Blinde spielbar wird.

10. Findest du es dann interessanter, gängige Spiele umzuwandeln, damit sie für alle spielbar sind, oder eigene Spiele zu programmieren? Das Problem ist, dass man immer Sehenden-Hilfe braucht. Und selbst wenn man Sehenden-Hilfe hat, dass die Umgebung im Spiel so groß ist, dass es fast gar nicht möglich ist, weil man eine sogenannte Navigationshilfe durch Piep-Geräusche braucht und dafür die Umgebung oft zu groß ist. Bei GTA zum Beispiel habe ich eine Zielvorrichtung eingerichtet mit einem Piepen. Man kann dadurch auch z.B. wissen, wo man hinzielt. Je höher das Geräusch, desto höher Zielt man und man versucht ja meistens den Kopf zu treffen. Leute sagen immer „Wie kannst du denn spielen?“ Aber ich hab schon als Kind immer meinen Vater beim Boxen an der Wii abgezockt und der war sehr gut darin.

11. Gibt es auch viele Sehende, die Interesse an den Spielen für Blinde haben und das auch mal ausprobieren wollen? Nein, aber es gibt Spiele, die für Blinde und Sehende geeignet sind (wie zuvor erwähnt z.B. "The Last of Us"). Es gibt auch Spiele für Sehbehinderte, bei denen die Figuren beispielsweise in einfachen Formen dargestellt sind. Man kann Sehenden diese Spiele schon erklären, wenn sie das wirklich wollen, die Frage ist halt, ob sie das wollen, weil deren Hauptziel eigentlich das Sehen ist, um sich in diese Andere Welt zu versetzen. Blinde haben deshalb auch einen geringeren Suchtfaktor beim Spielen, weil die Bilder den Suchtfaktor ausmachen und weniger das Gehör.

12. Was wünschst Du dir von der Gesellschaft bzw. von Einrichtungen (z. B. Kinos)? Es geht eigentlich alles sehr gut, zum Beispiel mit der "Seeing AI App", die ist kostenlos und ist sehr gut, es gibt OrCams, die aber leider sehr teuer sind.

13. Besitzt du dann diese Sachen, wie die Orcam? Also ich habe die Apps, ich möchte keine Tausend Euro ausgeben, für etwas, was es als gratis App gibt. Es gibt auch durch Gesichtserkennungsapps, die Möglichkeit Menschen zu erkennen, wenn sie vor einem stehen, nachdem man sie sozusagen eingespeichert sind. Es gibt auch Kameramöglichkeiten, die einem beim fotografieren helfen.

14. Was sind deine allgemeinen Wünsche? Mir fallen aktuell keine ein, die Technik wächst. Aber Wege für Blinde müssten besser werden...

15. Noch etwas zu sagen? Viele Überschriften sind wichtig auf Websites für Blinde. Sonst müssten Eingabefelder beschriften werden, Bildbeschreibungen präsenter sein. Text auf Homepages sollten in leichte Sprache anzeigbar sein und man sollte vergrößern und Kontrasteinstellungen optimieren können (Bsp: Eye-Able App auf auf der JAm-Website).

Lieber Leon, vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft.