Das solltest du bei der Nutzung von KI bedenken
Junge Zielgruppen – toxische Ideologien: Ein Blick auf Traditionelle Rollenbilder und Manosphere
Um was geht es?
In den letzten Jahren hat das Internet eine Reihe von stark geschlechtsspezifischen Online‑Sub‑Szenen hervorgebracht, die jeweils eigene Narrative, Symbolik und Selbst‑Identifikationsmodelle entwickeln. Die Manosphere – ein loses Netzwerk aus Communities wie Incels, MGTOW, Red‑Pill‑Foren oder Alpha‑Male‑Gruppen – propagiert die Vorstellung, dass Männer systematisch benachteiligt und von feministischen Strömungen marginalisiert würden. Parallel dazu entstand das Gegenstück der Tradwife-Bewegung, das eine Rückkehr zu traditionellen Rollenbildern von Ehefrau und Hausfrau idealisiert und dabei häufig die moderne Gleichberechtigung kritisch hinterfragt. Beide Pole bedienen ähnliche Grundbedürfnisse: das Verlangen nach Zugehörigkeit, nach klar definierten Rollenbildern und nach einer scheinbaren Kontrolle über das eigene Leben in einer zunehmend komplexen, digital vermittelten Gesellschaft.
Zunächst: Was macht diese Subkulturen aus?
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Gemeinsame Werte, Normen und Symbolik
- Wiederkehrende Narrative (z. B. „Männer werden von der Gesellschaft benachteiligt“, „Feminismus ist feindlich“).
- Spezifische Terminologie (Red‑Pill, MGTOW, Incel, Alpha‑Male usw.) und wiedererkennbare Bildsprache (Memes, Logos, Farbschemata).
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Abgrenzung vom Mainstream
- Aktive Gegenposition zum dominanten gesellschaftlichen Diskurs über Gender‑Gleichstellung.
- Ggf. Ablehnung oder Kritik an etablierten Institutionen (Medien, Politik, akademische Forschung).
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Gemeinschaft und soziale Bindungen
- Online‑Plattformen (Reddit‑Subs, Discord‑Server, spezialisierte Foren) fungieren als Treffpunkte, in denen Mitglieder Erfahrungen austauschen, Rat geben und ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln.
- Oft entstehen informelle Rituale (z. B. das „Durchlaufen“ von Red‑Pill‑Inhalten, das Teilen von „Erfolgsgeschichten“).
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Stilistische und ästhetische Merkmale
- Nutzung bestimmter Meme‑Formate, Farbpaletten (schwarz‑rot‑weiß), Icons (z. B. das rote Pillen‑Symbol).
- Eigenständige Jargon‑Entwicklung, die Außenstehenden das Verständnis erschwert.
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Identitätsbildung
- Viele Mitglieder definieren sich selbst über die Zugehörigkeit zur Gruppe („Ich bin ein MRA“, „Ich lebe nach der Red‑Pill‑Philosophie“).
- Diese Identität beeinflusst ihr Selbstbild, ihre Beziehungen und ihr Weltverständnis.
Einiges spricht dafür, dass sich bereits Subszenen gebildet haben und es sich letztlich nicht nur um Phänomene handelt, die kommen und gehen.

Überblick über Schlagworte und aktuelle Subszenen im Netz:
1. Manosphere
Die Manosphere ist ein loses, überwiegend digitales Netzwerk aus miteinander verwobenen Communities, Foren, Blogs und Social‑Media‑Kanälen, das sich primär um Männer‑themen dreht und häufig eine stark anti‑feministische, oftmals misogyne Haltung vertritt. Sie umfasst verschiedene Teilströmungen – darunter Men’s Rights Activists (MRAs), Pick‑up Artists (PUAs), Incels, Red‑Pill‑Anhänger und MGTOW (Men Going Their Own Way) – die zwar unterschiedliche Schwerpunkte setzen, aber ein gemeinsames Narrativ teilen: die Annahme, dass Männer in der modernen Gesellschaft systematisch benachteiligt, missverstanden oder von feministischen Bewegungen unterdrückt werden.
| Begrifflichkeiten | Kernthema / Selbstverständnis | |
|---|---|---|
| Incels | Unfreiwilliger Zölibat, Frustration über mangelnde sexuelle Kontakte; häufig feindselige Haltung gegenüber Frauen. | |
| Pick‑up Artists (PUAs) | Systematisierte „Verführungstechniken“, Fokus auf sexuelle Eroberung; oft manipulativ. | |
| Men’s Rights Activists (MRAs) | Rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Männern (Sorgerecht, Wehrpflicht, Gesundheitsversorgung). | |
| Red‑Pill‑Anhänger | „Erwachen“ zu einer angeblich realen Geschlechter‑Realität; Ablehnung feministischer Narrative. | |
| MGTOW (Men Going Their Own Way) | Bewusster Verzicht auf romantische Beziehungen, um persönliche Freiheit zu sichern. |
2. Traditional Gender Communities
Die Bezeichnung stellt die ideologische Antithese zur Manosphere dar: Während die Manosphere ein anti‑feministisches, oft misogyne Männer‑Narrativ verkörpert, betonen Traditionalist Communities ein pro‑familiäres‑, pro‑role‑based Modell, das beide Geschlechter in festgelegten Rollen sieht. Dabei können wir ausgehen von einem losen Netzwerk aus Online‑ und Offline‑Gruppen, Foren, Social‑Media‑Accounts und sonstigen Kommunikationsräumen, die ein gemeinsames ideologisches Fundament teilen: die Verteidigung und Befürwortung klassischer, geschlechtsspezifischer Rollenbilder innerhalb von Familie, Partnerschaft und Gesellschaft.
| Begrifflichkeiten | Kernthema / Selbstverständnis | |
|---|---|---|
| Tradwife (Traditional Wife) | Frau, die bewusst ein „klassisches“ Hausfrauen‑ und Mutter‑Bild lebt: Hausarbeit, Kindererziehung, häusliche Fürsorge stehen im Vordergrund; äußere Karriere wird meist als sekundär oder optional betrachtet. „Glück entsteht durch den Dienst an der Familie und/oder des Partners, Ablehnung von Feminismus als „Zerstörung der natürlichen Ordnung“. | |
| Traditionalist (allgemein) | Personen, die ein umfassendes, historisch‑inspirierte Weltbild vertreten: feste Geschlechterrollen, hierarchische Familienstruktur, oft verbunden mit religiöser oder kultureller Tradition. „Gesellschaft funktioniert besser, wenn jede Person ihre „natürliche“ Rolle erfüllt“, Kritik an Moderne, Gender‑Ideologie und „Progressivismus“. | |
| Retro‑Lifestyle | Personen, die ästhetisch und praktisch vergangene Jahrzehnte (z. B. 1950‑1960) nachahmen – Mode, Interieur, Etikette – und damit implizit traditionelle Rollenbilder verstärken. „Frühere Zeiten waren einfacher und moralisch klarer“, Nostalgie als legitime Kritik an heutiger „Geschlechter‑Fluidität“. | |
| Faith‑Based Traditionalist | Religiös motivierte Gruppe (oft christlich, aber auch islamisch, orthodox usw.), die traditionelle Rollen als göttlich verordnet ansieht. „Gottes Plan = klare Geschlechterrollen“, Ablehnung von säkularen Gender‑Theorien. | |
| Anti‑Feminist “Cultural” Community | Explizite Gegenbewegung zum modernen Feminismus; nutzt kulturelle Argumente (z. B. „Natürliche Ordnung“, „Biologische Unterschiede“) zur Legitimation traditioneller Rollen. „Feminismus zerstört Familienwerte“. |
Vorsicht: Das ist der Versuch das Thema einzugrenzen, spiegelt aber nicht zwigend die komplexe Struktur dahinter wieder. Auch hier sollte man vorsichtig sein, um nicht selbst in Stereotype zu verfallen.

Warum ist das ein Thema der Jugendarbeit?
Jugendliche befinden sich in einer Lebensphase, in der sie aktiv nach Orientierung, Zugehörigkeit und einem Sinn für ihre eigene Identität suchen. Die digitale Welt liefert dabei eine Fülle von Vorbildern – nicht nur positive Role‑Models, sondern auch stark vereinfachte, idealisierte und häufig toxische Muster. Die Manosphere, Tradwife‑Communities und verwandte Sub‑Szenen nutzen genau diese Bedürfnisse und können deshalb einen erheblichen Einfluss auf die psychosoziale Entwicklung von Heranwachsenden haben.
1. Starke Identifikationsmechanismen
- Emotionale Anknüpfungspunkte: Viele Beiträge aus diesen Communities sprechen direkt die Unsicherheit, das Bedürfnis nach Anerkennung und das Verlangen nach Kontrolle über das eigene Leben an – Gefühle, die in der Pubertät besonders intensiv erlebt werden.
- Narrative von „Erfolg“ und „Selbstoptimierung“: Die Versprechungen, durch körperliche Fitness, „Alpha‑Mentalität“ oder das Erreichen einer perfekten Hausfrau‑Rolle schnell Geld, Status und Respekt zu gewinnen, wirken wie ein schneller Weg zu sozialer Aufwertung.
2. Risiko der Verinnerlichung antiquierter Rollenbilder
- Reduktion von Individualität: Statt einer offenen Auseinandersetzung mit eigenen Interessen und Talenten werden starre Geschlechterrollen als einzig gültige Leitplanken präsentiert.
- Verstärkung von Stereotypen: Mädchen können das Bild der „traditionellen Ehefrau“ internalisieren, Jungen das Bild des dominanten „Alpha‑Mannes“. Das behindert die Entwicklung von Partnerschaften und fördert geschlechtsspezifische Erwartungshaltungen.
3. Gefahr der Radikalisierung und sozialer Isolation
- Echo‑Kammer‑Effekte: Algorithmen von Plattformen pushen ähnliche Inhalte, sodass Jugendliche schnell in sog. Filterblasen landen, in denen kritische Gegenstimmen kaum vorkommen.
- Feindseligkeit gegenüber anderen Gruppen: Antifeministische oder anti‑LGBTQ‑Rhetorik kann zu Vorurteilen, Hass und sogar zu gewalttätigen Handlungen führen.
- Entzug von realen sozialen Kontakten: Wenn das online dargestellte Weltbild nicht in das real erlebte Szenario passt, schränkt man potentielle Kontakte ein, die das vordefinierte Selbst- und Weltbild gefährden können.
4. Auswirkungen auf mentale Gesundheit
- Perfektionismus und Körperbild: Der Druck, einem idealisierten „Alpha‑Body“ oder einer makellosen Hausfrauen‑Ästhetik zu entsprechen, kann zu Essstörungen, Depressionen und Angstzuständen führen.
- Selbstwert‑Schwankungen: Der ständige Vergleich mit Erfolgsgeschichten führt zu einem fragilen Selbstwert, der stark von Likes, Kommentaren und Bestätigung aus der Community abhängt.
5. Relevanz für pädagogische Interventionen
- Frühzeitige Aufklärung: Durch gezielte Workshops können Jugendliche lernen, manipulative Narrative in medialen Inhalten zu erkennen und kritisch zu hinterfragen.
- Alternative Vorbilder präsentieren: Positive Role‑Models aus diversen Lebensbereichen (Sport, Kunst, Wissenschaft, soziale Projekte) zeigen, dass Erfolg nicht an engen Geschlechterrollen gemessen wird.
- Selbst- und Fremdbilder: Vorurteile und Stereotype aufzuzeigen.
6. Gesellschaftlicher Kontext
- Verbindung zu größeren Trends: Die Diskussion um die Manosphere und Traditional Communities spiegelt breitere gesellschaftliche Spannungen rund um Gleichstellung, digitale Selbstdarstellung und den Wandel von Familienmodellen wider. Diese Narrative werden zudem häufig von rechtsradikalen Gruppierungen aufgegriffen und instrumentalisiert.
- Politische Implikationen: Wenn sich solche Narrative in breiteren Bevölkerungsgruppen verankern, können sie Einfluss auf Wahlentscheidungen, Gesetzgebungsprozesse und das gesellschaftliche Klima nehmen – ein Aspekt, den die Jugendarbeit bereits heute mitprägen kann.
7. Veränderung des Rollenbildes

Linksammlung
Nützliche und weiterführende Links, inklusive Materialien, zur pädagogischen Aufbereitung des Themas.
Toxische Männlichkeit – Klicksafe
Echte Männer und wahre Weiblichkeit? – Bundeszentrale für politische Bildung
Studie zu Incels in Österreich
Podcast „Pinke Pille – Der Antifeminismus Monitor“ (Amadeu Antonio Stiftung)
Der ‚Geschlechterkampf von rechts‘ ist eine Bedrohung für die Demokratie – Amadeu Antonio Stiftung
Eye-Able® visuelle Hilfe