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Best Practice: Zirkuscamp Rafeldinio

Unserer Reihe "Best-Practice-Beispiele: So geht Inklusion in Unterfranken" ist euer Einblick in inklusive Projekte und Strukturen in der Jugendarbeit. Verschiedene Verbände oder Kreis- und Stadtjugendringe teilen hier ihre Erfahrungen mit euch und zeigen, wie unverkrampft und bereichernd die Jugendarbeit mit allen sein kann. Dabei geht es um ganz praktische Fragen wie: Wie bekommen Kinder und Jugendliche mit Behinderung mein Angebot mit und welcher Betreuungsaufwand kommt wirklich auf mich zu?

Viel Spaß beim Lesen!

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Nächster Termin: 29.7.-.3.8.24 und 5.8.-10.8.24

Ansprechpartner: KJR Schweinfurt

Zirkuszelt

Hallo Anne,
vielen Dank für deine Zeit und dass du das Projekt mit uns teilst.

Geht Zirkus inklusiv?

Ein ganz großes JA!
Das Tolle am Zirkus ist, dass er so vielfältig ist und wir bisher für alle Teilnehmenden eine passende Disziplin finden konnten, in der sie sich einbringen konnten und wohlgefühlt haben. Wenn z.B. Akrobatik am Trapez auf Grund einer körperlichen Behinderung nicht das Richtige für ein Kind ist, klappt es vielleicht trotzdem mit Hilfestellung auf der Laufkugel – oder es kann seinen Humor und seine Schlagfertigkeit bei der Clownerie einbringen oder seinen/ihren Mut als Fakir beweisen.

An wen richtet sich euer Zirkusprojekt?

Wir schreiben den Zirkus aus für „Alle“ und bewerben das über unsere üblichen Kanäle: Unsere Webseite, in der Zeitung, verschiedenste Newsletter im Landkreis Schweinfurt usw. Darüber hinaus erhalten aber auch die Lebenshilfe, die Offene Behindertenarbeit und die Förderschulen sowie die Heilpädagogische Tagesstätten im Landkreis unsere Ausschreibung.

Und wie wird es von Kindern mit Behinderung angenommen?

Kinder ab 7 Jahren dürfen mitmachen und pro Woche gibt es max. 70 Plätze. Das ist schon ein riesiges Projekt. Mittlerweile ist das Zirkusprojekt ein richtiges Zeltlager, also eine Woche zelten und tagsüber Zirkustraining mit Artisten oder Zirkuspädagogen und parallel dazu Freizeitprogramm. Von Kindern mit Behinderung wird es von Jahr zu Jahr unterschiedlich gut angenommen, generell steigt die Teilnahmebereitschaft aber kontinuierlich. Letztes Jahr lag unsere Quote bei fast 20 %. Das darf aber gerne noch mehr werden. Wir haben auch viele Kinder dabei, die keine anerkannte Behinderung haben, sondern chronische Krankheiten sowie psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen. Teilweise ist das auch eine Frage der Barrieren, die Eltern von betroffenen Kindern im Kopf haben.

Die Besonderheit bei unserem Projekt liegt darin, dass Kinder und Jugendliche, die in Maria Schutz leben, die Möglichkeit bekommen, sich in einem geschützten Rahmen an einem Angebot der Jugendarbeit mit Teilnehmenden außerhalb der eigenen Einrichtung zu beteiligen.

Für Jugendliche aus Einrichtungen der Jugendhilfe ist der Zugang zu einem sozialen Engagement oft aus unterschiedlichen Gründen erschwert. Das Zirkuscamp „Rafeldinio“ leistet insbesondere durch die qualifizierte hauptamtlich geleistete Anleitung einen ersten Einstieg in ein Ehrenamt. So haben wir jedes Jahr Betreuer:innen aus dem Caritas Jugendhilfezentrum Maria Schutz dabei.

Wie sieht so ein „normaler“ Zirkustag bei euch aus?

Abgesehen vom Schnuppertag am Anfang und Generalprobe- und Aufführungstag am Ende, haben die Tage immer die gleiche Struktur. Es gibt ein gemeinsames Frühstück und eine Aufwärmrunde mit allen Kindern und Betreuer:innen und dann teilen sich die Kinder in Gruppen auf. Ein Teil macht die erste Runde Training, während die anderen freies Betreuungsprogramm haben. Nach dem Mittagessen wird getauscht.
Das bedeutet, wenn es nicht gerade stürmt, sind wir eigentlich bei jedem Wetter draußen unter Zelten und Pavillons. Die Kinder mit Behinderung werden dabei ganz natürlich mitgedacht und gesehen. Je nachdem, welche Bedürfnisse sie haben, reagieren wir ganz individuell darauf. Es gibt da kein extra Programm.

Das heißt Inklusion ist nicht das vorherrschende Thema im Zirkuscamp?

In der Bewerbung schreiben wir das schon extra so aus, „Alle machen mit“ um den Eltern zu signalisieren, dass ihre Kinder bei uns herzlich willkommen sind, aber in der Vorbereitung oder vor Ort ist das kein herausstechendes Thema. Es geht ja bei dem Inklusionsgedanken nicht darum, die Behinderung oder Beeinträchtigung in den Mittelpunkt zu stellen, sondern allen Kindern und Jugendlichen die gleiche Teilhabe zu ermöglichen. Im Gesundheitsbogen bei der Anmeldung fragen wir Eckdaten ab. Bei größerem Betreuungsbedarf oder Anforderungen gehen wir individuell auf die Eltern zu und führen Kennenlerngespräche. Vor Ort ist es uns wichtig auch die anderen Kinder für das Thema zu sensibilisieren.

Bereitet ihr euch auf die inklusive Umsetzung speziell vor?

Wie schon erwähnt sind die Gespräche mit den Eltern elementar in der Vorbereitung. Wir machen viel für die zwei Wochen möglich. Wenn bestimmte Hilfsmittel benötigt werden, wie ein Duschstuhl o.Ä., kümmern wir uns darum und sind sehr auf die Gespräche mit den Eltern angewiesen. Aber der Aufwand war bisher wirklich immer recht gering. Bei intensiv pflegerischen Tätigkeiten müsste mit den Eltern eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Pflegedienste könnten beispielsweise auch ins Camp kommen, anstatt nach Hause. Das Team ist bunt aufgestellt, teilweise gibt es Ehrenamtliche, die tatsächlich auch professionell im Bereich Pädagogik/Betreuung arbeiten. Aber es sind auch viele dabei, die keine Erfahrungen haben in der Betreuung von Kindern mit Behinderung. Diese werden im Vorfeld von uns geschult und sensibilisiert.

Hat dich etwas überrascht beim Zirkuscamp?

Es war überraschend und gleichzeitig ganz toll zu sehen, dass das Thema Behinderung unter den Kindern selbst gar kein Thema zu sein schien. So wie Julia* mit den braunen Haaren dabei war oder Ismet*, der nur sehr wenig Deutsch sprach, war eben auch Hannah* mit dem Gehfehler dabei oder Anton* mit Down-Syndrom. (* alle Namen geändert) Das wurde nicht in Frage gestellt und es wurde niemand schief angeschaut oder gemieden. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass das immer so problemlos abläuft, aber bei so einer Ferienfreizeit gibt es zum Glück ganz vielfältige Möglichkeiten, das Miteinander zu stärken und den Kindern zu zeigen, wie schön es sich anfühlt, alle mitzunehmen! Die positive Haltung bei uns im Team ist einer der wichtigsten Bausteine.

 

Vielen Dank, dass du euer Projekt mit uns geteilt hast! ❤

Weiterführende Infos und Anmeldung unter: https://www.kjr-sw.de/events/events/zirkuscamp-rafeldinio-ab-7-jahre-29-07-03-08-2024/