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Krieg in Nahost – Umgang mit den Auswirkungen bei Jugendlichen

Verstörende Bilder und Nachrichten aus Israel und dem Gazastreifen erzeugen starke Emotionen und wecken leider auch Ressentiments. Jugendliche mit jüdischen, arabischen oder muslimischen Bezügen können in besonderem Maß davon betroffen sein.

Wie können wir mit den Jugendlichen in Gruppenstunde, Jugendzentrum oder Jugendtreff über den Krieg sprechen? Was können wir Hass, Einseitigkeiten und Vorurteilen entgegensetzen?

Was muss man über den Nahostkonflikt wissen?


Kein Konflikt – sondern Konflikte! Der Nahostkonflikt reicht weit über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hinaus und ist auch zeitlich schwer einzugrenzen. Beim Nahostkonflikt überlagern sich im Grunde viele Konfliktlinien, so dass es hier gleich um ein Bündel verschiedener, mehr oder weniger miteinander verbundener Konflikte handelt. Einige Konfliktlinien reichen dabei Jahrhunderte zurück, andere sind erst in den letzten Jahren entstanden. Konfliktlinien sind z.B. der Konflikt um "das Heilige Land" (Religiös), Konflikt um regionale Vorherrschaft im Nahen-Osten (Politisch), Konflikt um Einflussbereiche der Supermächte (Politisch), etc.

Es gibt keine zwei Seiten (Israelis und Palästinenser, Juden und Muslime etc.) die klar voneinander abgrenzbar wären. Die Gruppe der Juden ist in sich sehr heterogen. Es gibt z.B. russische, amerikanische, israelische, chinesische, orthodoxe, ultraorthodoxe und liberale Juden auf der Welt. In Israel leben jüdische, muslimische, christliche, arabische, christlich-arabische, drusische und palästinensische Israelis. Auch die Palästinenser sind vielfältig. Hier gibt es Palästinenser in Israel, in der Westbank, im Gaza-Streifen, Palästinenser in Flüchtlingslagern im Libanon oder Jordanien, Palästinenser in Europa, christliche und muslimische Palästinenser usw.

Projektionsfläche und Instrumentalisierung: Die Nahost-Konflikte werden global und regional für verschiedene Interessen instrumentalisiert und auch von Einzelnen als Projektionsfläche für eigene Problemaushandlungen genutzt.

Einfache Urteile sind immer falsch! Die verschiedenen Konfliktlinien sind sehr komplex und miteinander in vielfältiger Weise verschränkt. Eine angemessene Auseinandersetzung mit den beteiligten Konflikten und den vielfältigen involvierten Gruppen und Untergruppen ist enorm zeitaufwendig und anspruchsvoll. Hier besteht die Gefahr, vorschnellen Urteilens aufgrund angeblichen Expertentums. Ein recht sicheres Zeichen dafür ist eine undifferenzierte Parteinahme bzw. Anklage einer Konfliktpartei.

Berichterstattung als Waffe: Die Konflikte werden auch über einseitige und parteiische Berichterstattung befeuert. Hier spielen Begriffe, Bilder, Videos und Symbole eine wichtige Rolle. Dabei wird z.B. der Terrorismusbegriff sowohl für die palästinensische Hamas als auch für den Staat Israel genutzt, um Gewaltakte dieser oder jener als illegitim zu bezeichnen.

Was kann ich tun?

  1. Informiere Dich über das aktuelle Geschehen. Da wirklich neutrale Berichterstattung schwer zu finden ist, nutze verschiedene vertrauenswürde Nachrichtenquellen parallel mit einem kritischen Blick auf emotionalisierende und einseitige Berichterstattung.
  2. Mache Dich mit den wesentlichen Grundzügen des Konflikts vertraut, ohne den Anspruch zu haben, den Konflikt komplett zu verstehen und schon gar nicht beurteilen zu können.


  1. Reflektiere deine eigene Haltung kritisch auf einseitige Schuldzuweisungen und Parteinahme.
  2. Informiere Dich über den modernen Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus und Rassismus gegenüber Menschen aus dem Nahen Osten.

Welche Jugendlichen sind besonders vom aktuellen Konflikt betroffen?

  1. Jugendliche aus jüdischen Familien, bzw. mit jüdischer Identität erleben in Deutschland immer wieder Antisemitismus, der oft auch im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt steht. Seit dem Angriff der Hamas am 7.Oktober 2023 und die Reaktion des Staates Israel, haben die antisemitischen Vorfälle zugenommen. Viele Jüd:innen haben Angst Symbole und Kleidungsstücke zu tragen, die sie als Juden sichtbar machen.
  2. Jugendliche mit palästinensischer, arabischer oder türkischer Migrationsbiografie, sowie muslimische Jugendliche, können seit dem Angriff der Hamas am 7.Oktober 2023 verstärkt Zuschreibungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen erleben. Rechte und Konservative Stimmen werfen diesen Jugendlichen oft pauschal und undifferenziert Antisemitismus vor und fordern ihnen gegenüber Gesinnungsprüfungen und Abschiebungen.

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Was ist dran am Vorwurf des arabischen bzw. muslimischen Antisemitismus?


Der Antisemitismus ist in Europa entstanden und hat sich dann im 20.Jahrhundert auch in der arabischen Welt verbreitet. Seit der Staatsgründung Israels ist Antisemitismus Teil der Schulbildung und öffentlichen staatlichen Rhetorik in vielen arabischen Staaten und Medien im Nahen Osten.

Antisemitismus und Israelhass in Deutschland gibt es auch in anderen migrantischen Gruppen sowie in der Mehrheitsbevölkerung. Antisemitische Äußerungen und Positionen kommen unter Jugendlichen arabischer, türkischer und muslimischer Herkunft jedoch häufiger vor.

Sie werden über Medien und über die Erzählungen der älteren Generationen verbreitet, so dass ein schlechtes Bild von Israel und synonym von „den Juden“ zu haben, für viele vor dem Hintergrund von tradiertem Familien- und Medienwissen ganz selbstverständlich erscheint. […]


Jochen Müller: „Warum ist alles so ungerecht?“ Antisemitismus und Israelhass bei Jugendlichen, in: „Die Juden sind schuld“. Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus, Amadeu Antonio Stiftung, 2009


Allerdings ist gerade der israelbezogene Antisemitismus auch bei Jugendlichen aus der Mehrheitsgesellschaft und deren Eltern verbreitet. Laut Mitte Studie 2023 stimmt 5,7% der deutschen Bevölkerung antisemitischen Aussagen zu, weitere 15.3% befinden sich in einem Graubereich zwischen Zustimmung und Ablehnung.

Funktionen antisemitischer Überzeugungen bei arabischen bzw. muslimischen Jugendlichen

Dahinter steht meist die Empörung über Leid und Ungerechtigkeiten, die Palästinenser im Zuge des Konflikts scheinbar oder real erleiden. […]

Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und der Protest gegen Unrecht (bzw. was die Jugendlichen dafür halten) sind nachvollziehbar. Allerdings verschwimmen sie häufig mit einer extrem einseitigen und verzerrten Wahrnehmung und Darstellung des Konflikts, die vor allem am wiederkehrenden Motiv getöteter und verletzter unschuldiger Kinder deutlich wird („Kindermörder Israel“). […]

Die von palästinensisch-libanesischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen berichteten (und nicht selten von Jugendlichen anderer Herkunft übernommenen) Geschichten changieren auf diese Weise beständig zwischen realen Erfahrungen und extrem verzerrten Wahrnehmungen. Deutlich wird daran, wie aus legitimer Kritik und nachvollziehbarer Empörung Hass auf Israel und antisemitische Positionen entstehen können.

Der Protest gegen Israel wird gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen arabischer, türkischer und muslimischer Herkunft zu einem Ventil für Zorn und Empörung über Frustrationserfahrungen, die sie eigentlich in Deutschland machen: Denn viele von ihnen erleben sich hier als perspektivlos, nicht anerkannt, ohnmächtig und ungerecht behandelt. Insbesondere Jugendliche palästinensischer und libanesischer Herkunft verbinden hier individuelle und familiäre reale Erfahrungen von Leid und Diskriminierung im Herkunftsland mit Erlebnissen, die sie in Deutschland haben.

Jochen Müller: Zwischen Berlin und Beirut – Antisemitismus bei Jugendlichen arabischer, türkischer und/oder muslimischer Herkunft, 8. November 2023

Hinweise zum pädagogischen Umgang

Worum geht es bei dem Konflikt eigentlich?


Bei einer Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt, geht es nicht nur um den Konflikt an sich und die Ereignisse vor Ort, sondern auch um Geschichte und Gegenwart in Deutschland.

Der Konflikt ist eine Projektionsfläche für Auseinandersetzungen, in denen auch das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft beispielsweise im Zusammenhang mit migrations- und geschichtspolitischen Fragen verhandelt wird. Der Konflikt ist in besonderer Weise mit Deutschland verbunden und berührt die Familiengeschichten und den Alltag vieler Jugendlicher.

All dies kann auch in der Jugendarbeit zur Sprache kommen, ohne dass sich „einfache Lösungen“ finden lassen.

Konfliktkompetenz, statt den Nahostkonflikt lösen zu wollen


In der Gruppenstunde oder im Jugendzentrum geht es zum Glück nicht darum, den Konflikt selbst zu lösen, sondern vor allem darum, Verständnis für unterschiedliche Erfahrungen und Blickwinkel und damit verbundene Interessen zu fördern und daraus Handlungsperspektiven zu entwickeln.

Ziel der pädagogischen Arbeit sollte es sein, das Aushalten von Uneindeutigkeiten (Ambiguität) zu stärken und eine Streitkultur zu fördern, die Konflikte benennt, statt diese zu umschiffen, und sie damit bearbeitbar macht. Diese Streitkultur macht die Legitimität unterschiedlicher – auch gegensätzlicher – Perspektiven sichtbar, benennt aber zugleich auch Grenzen, beispielsweise wenn Aussagen abwertend oder gewaltverherrlichend sind.

Ins Gespräch kommen ist wichtiger als zu konfrontieren


Um unsere Jugendlichen zu erreichen, müssen wir mit ihnen ins Gespräch kommen.

Das gelingt, indem wir ihnen zuhören, uns auf ihre Biografien, Lebenswelten, Perspektiven und ganz unterschiedlichen Erfahrungen (auch mit Diskriminierungen) einlassen – so weit das eben geht. Kommunikation und Anstöße zu Veränderungen gelingen nicht, wenn wir Jugendliche kategorisieren, ihnen offen oder im Hinterkopf Einstellungen und Ideologien zuschreiben, sie unter Verdacht stellen.

Stattdessen beschreiben wir sie zunächst als „problematisch“ und als Aufmerksamkeitssignale – also Signale dafür, zunächst einmal genauer hin- und zuzuhören. Das gilt – je nach eigener Perspektive und Betroffenheit – für sehr unterschiedlich interpretierbare Postulate wie: „Free Palestine!“, „Die Scharia ist mir wichtiger als das Grundgesetz!“, „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein!“ usw.

Jochen Müller, Politik und Pädagogik – Ein Zwischenruf in eigener Sache, ufuq.de, 14.11.2023

Vorsicht mit Bildern und Symbolen


Der aktuelle Krieg und auch die Konflikte dahinter, werden sehr stark auch mit Bildern geführt. Die Bilder stehen oft symbolisch für Israel und jüdisches Leben auf der einen, oder für Palästina bzw. den palästinensischen Kampf um Unabhängigkeit auf der anderen Seite. Dabei spielen Flaggen, die Flaggenfarben, bzw. Symbole, wie der Davidstern oder die al-Aqsa-Moschee eine wichtige Rolle. Darüber hinaus werden aber auch antisemitische oder rassistische Anschuldigungen und Motive über Bilder weitergetragen, so z.B. der Jahrhunderte alte Vorwurf des jüdischen Kindermordes.

Bilder von Flaggen, dem Felsendom und Kinder in Kriegsszenario

Bitte seid daher äußerst vorsichtig, oder seht davon ab, solche Bilder, oder Bilder überhaupt zur Thematisierung des Konfliktgeschehens zu verwenden. Einige Fotos oder Symbole können als Trigger wirken und starke Reaktionen auslösen.

Unterstützung beim Umgang mit Emotionen und Gedanken


Voraussetzung für das Gelingen von Gespräch und Streit ist eine Moderation, die Wertschätzung und Anerkennung der beteiligten Personen erkennen lässt. Dazu gehört das Halten der Beziehung auch zu Jugendlichen mit „problematischen“ Positionen als Voraussetzung für einen sachlichen Dialog und Wissensvermittlung.

Signalisiere also – wenn die Situation und die geäußerten Positionen es erlauben – dein ernstgemeintes Interesse an der jeweiligen Position des oder der Jugendlichen. Das gibt diesen Raum und Zeit, ihre Emotionen und Gedanken zu teilen und ermöglicht die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Perspektiven.

Schließlich stehen hinter provozierenden Aussagen von Jugendlichen in der Regel keine festgefügten Ideologien und rassistische oder antisemitische Weltbilder, sondern biografisch geprägte Emotionen wie Empörung, Ohnmacht und Wut, die nicht zuletzt auf Erfahrungen von Diskriminierung, Marginalisierung oder Nichtanerkennung zurückgehen können.

Folgende Fragen können hilfreich sein:

  • „Ich sehe das anders, aber es interessiert mich.“
  • „Was meinst Du mit dieser Aussage?“
  • „Weißt Du noch mehr darüber?“
  • „Was fühlst Du, wenn Du so etwas siehst oder hörst?

Arbeitshilfe: Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit, ufuq.de, 2023


Generell zum Gespräch mit Jugendlichen über Krieg: How to talk about war, SALTO YOUTH

Die eigene Haltung bewusst machen


Für den Umgang mit herausfordernden Situationen ist es erforderlich, auch die eigene Haltung und eventuelle Stereotype zu reflektieren und sich bewusst zu machen, warum eine Aussage oder ein Verhalten von Jugendlichen bestimmte Reaktionen bei dir selbst hervorrufen. Welche Bilder habe ich selbst von Juden, Israelis, Arabern, Palästinensern, Menschen aus dem Nahen Osten?

Es ist wichtig, Wissensstände und eigene Emotionen zu dem komplexen Konfliktgemenge im Nahen Osten und den aktuellen Ereignissen kritisch bei sich selbst nachzuspüren, um sich eine Haltung zu erarbeiten, die dann im Gespräch mit den Jugendlichen vertreten werden kann.

Moralisierungen und Zurechtweisungen vermeiden!

Statt direkt in eine korrigierende und zurechtweisende Haltung zu gehen oder eine „richtige“ Perspektive vermitteln zu wollen, bieten Fragen die Möglichkeit, mehr über die Jugendlichen und ihre Biografien, Lebenswelten und Perspektiven zu erfahren.

Die Jugendlichen erleben, mit ihren Meinungen, Erfahrungen und Emotionen ernst genommen zu werden. Sinnvoll ist es häufig auch, die Gruppe ins Gespräch zu bringen, um andere Einschätzungen und Blickwinkel auf das Thema sichtbar zu machen: „Sehen das alle so?“ In den meisten Fällen werden sich Schüler*innen mit Widerspruch zu Wort melden.

Arbeitshilfe: Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit, ufuq.de, 2023

Umgang mit Grenzüberschreitungen – Bindung vor Erziehung!


Bei Situationen, in denen Aussagen oder Verhaltensweisen von Jugendlichen als herausfordernd, provokativ oder grenzüberschreitend erlebt werden, muss man zunächst differenzieren.

Positionen und Verhaltensweisen, die offen diskriminierend sind (gleich ob sie Menschen rassistisch, antisemitisch, sexistisch, klassistisch oder aus anderen Motiven abwerten), erfordern immer eine direkte pädagogische Intervention. Diese kann von einer einfachen Aussage („Das sehe ich anders“) über deutliche Konfrontation (auch zum Schutz betroffener Personen) bis hin zu Sanktionen („Du hast hier zunächst Hausverbot“) reichen.

In der Arbeit mit „problematischen“ Jugendlichen sind auch klare Ansagen, Konfrontation, rote Linien und Repression ein Teil des Repertoires – gerade auch, um Betroffene von Abwertungen und Anfeindungen zu schützen. Aber repressive Maßnahmen sollten am anderen Ende des Spektrums pädagogischer Arbeit stehen. Sie sind nicht ihr Ausgangspunkt und dürfen es nicht sein. […]


Pädagogik braucht nur selten Empörung, aber immer Empathie – gerade dann, wenn Jugendliche „problematisch“ in Erscheinung treten.

Es sind unsere Jugendlichen. Zu einer akzeptierenden Grundhaltung gibt es in der präventiven, pädagogischen und sozialarbeiterischen Arbeit keine Alternative.

Wir relativieren und verharmlosen also Erscheinungen wie Islamismus, Rechtsextremismus oder Antisemitismus nicht, aber wir sprechen anders über Jugendliche, die womöglich gefährdet sind, ihnen anzuhängen und nachzulaufen. Denn Bindung kommt vor Bildung, Beziehung vor Erziehung und Kommunikation vor Repression.

Jochen Müller, Politik und Pädagogik – Ein Zwischenruf in eigener Sache, ufuq.de, 14.11.2023: https://www.ufuq.de/aktuelles/politik-und-paedagogik-nahostkonflikt

Begriffe und Debatten wichtig für Orientierung und Urteilsfindung


Oft kursiert gefährliches Halbwissen, bzw. einseitiges Wissen über die Konflikte im Nahen Osten. Hier können eine gemeinsame Sortierung und gegenseitige Ergänzung von Wissen hilfreich sein. Dabei müsst ihr als Anleiter:innen nicht als Expert:innen auftreten, sondern als gemeinsam Suchende, die versuchen, kritisch und fair Informationen zusammenzutragen.



Wichtig dabei ist Irritation falscher Grundannahmen und Einseitigkeiten. Dazu gehört z.B. die Gleichsetzung von Israelis und Juden in Deutschland und israelischen Akteuren:innen im Land selbst bzw. in den besetzten Gebieten und ebenso die Vorstellung eines Religions- und Kulturkrieges, nach der „Juden“ und „Araber“ oder „Juden“ und „Muslime“ quasi naturgemäß im Gegensatz zueinander stünden. Weit verbreitet ist auch der Mythos, es habe einen Nationalstaat Palästina gegeben, auf dessen Territorium die zionistische Bewegung mit Hilfe Englands oder der USA Israel errichtet habe.

Ein weiteres Ziel sollte die Anerkennung von berechtigten Interessen auf beiden bzw. verschiedenen Seiten sein und die Irritation der Wunschvorstellung, einfache Lösungen finden zu können.

Hier findet ihr Methoden und Ansätze, wie ihr das Thema mit Jugendlichen angehen könnt:

Ansatzpunkt Medienkompetenz


Unter Jugendlichen gibt es eine zunehmend große Gruppe, die ein geringes Interesse am aktuellen Weltgeschehen hat, kaum Informationsangebote etablierter Medien nutzt und mit journalistischen Angeboten entsprechend kaum noch erreicht werden kann. Das ist, nach einer Studie des Hans-Bredow-Instituts etwa ein Drittel der 14–24-Jährigen.

Stattdessen spielen Angebote in Sozialen Medien für sie die wichtigste Rolle. Sie bleiben fast ausschließlich über beiläufige Informationskontakte bei TikTok und YouTube auf dem Laufenden, bevorzugen unterhaltende Inhalte und verfolgen dabei individuelle Interessen, über die sie auch im Freundeskreis sprechen.

Besonders die Kommunikationsstrategie der Hamas konzentriert sich genau auf diese Social-Media-Kanäle. Jede Sekunde prasseln mehr Posts aus dem Nahen Osten über Tiktok, Instagram oder X auf die Menschen ein als wohl in jedem Krieg davor. Aus dem Gaza-Streifen, aus dem es seit Kriegsbeginn fast keine unabhängige Berichterstattung gibt, werden gezielt emotionalisierende Videos und Bilder in die Netzwerke eingeschleust. Ein nicht unerheblicher Teil davon ist allerdings gar nicht echt, bzw. zeigt nicht, was in der Bildbeschreibung steht. (Christoph Koopmann, Sina-Maria Schweikle: Faustrecht der Bilder, Süddeutsche Zeitung, 20. November 2023)

Ein Ansatzpunkt, über die Wahrnehmung des Krieges zu sprechen, kann also die Frage sein, wo sich die Jugendlichen informieren, was sie dabei sehen und warum sie glauben, darüber objektive Informationen zu erhalten. Ansatzpunkt und Ideen zur kritischen Medienreflexion gibt es z.B. hier:

Kritik an Israel oder antiisraelischer Antisemitismus?


Die Legitimität von Kritik und Verurteilungen israelischer Politiken endet dort, wo sie mit Hasspropaganda und Elementen antisemitischer Ideologie verbunden oder das Existenzrecht von Israel in Frage gestellt wird.

Hier findet ihr Handreichungen und Einführungen zur Unterscheidung von legitimer Kritik und Antisemitismus:

Antisemitismus- und rassismuskritische Ansätze zusammendenken!


Antisemitismuskritische Bildungsarbeit wendet sich gegen Pauschalisierungen und Verallgemeinerungen und hinterfragt Projektionen, in denen Juden oder Israel für gesellschaftliche Missstände (z.B. Finanzkrise, Globalisierung, Rassismus und soziale Ungleichheit) verantwortlich gemacht werden. Hier spielt auch die Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählungen eine wichtige Rolle.

Rassismuskritische Ansätze greifen Erfahrungen mit individueller und struktureller Diskriminierung und Gewalt auf, die für viele Jugendliche mit palästinensischen, arabischen, türkischen oder auch anderen Familiengeschichten prägend sind. Für die politische Bildungsarbeit zum Nahostkonflikt ist es daher sinnvoll, antisemitismus- und rassismuskritische Ansätze zu verbinden.

Die Arbeit gegen Antisemitismus darf nicht mit Rassismus gegen Muslime oder Menschen mit Bezügen zum Nahen Osten erfolgen und umgekehrt. Wichtig ist hier eher zu zeigen, dass es Problematisch ist, Menschen über Gruppen zu beurteilen bzw. pauschalisierende Urteile über Gruppen zu haben.

Rassismus gegen Juden / Antisemitismus


Antisemitismus bezeichnet Judenfeindlichkeit, die Diskriminierung bzw. Abwertung von jüdischen Menschen. Diese wird mit angeblich unveränderbaren Eigenschaften von Jüd:innen begründet. Dabei wirken manche Vorurteile gegen Jüd:innen seit der Antike bis heute in den Antisemitismus hinein.

Statt der klassischen Formen des Antisemitismus äußern Menschen ihren Antisemitismus heute oft über neue Wege, vielfach in Form von antisemitischen Aussagen mit Israelbezug, den sogenannten "israelbezogenen Antisemitismus".

Eine weitere Form des modernen Antisemitismus ist der "Sekundäre bzw. geschichtsbezogene Antisemitismus". Dieser wirft Juden den Versuch einer Vorteilsnahme durch den Holocaust vor.



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Antimuslimischer Rassismus


Antimuslimischer Rassismus / Islamfeindlichkeit benennt ablehnende Einstellungen gegenüber Muslimen, ihrer Kultur und ihren öffentlich-politischen wie religiösen Aktivitäten.

Derzeit vermischen sich in islamfeindlichen Einstellungen religiöse, kulturalistische und rassistische Argumentationsmuster. Muslime werden dabei als einheitliche Gruppe vorgestellt und abgewertet.

Der Antimuslimische Rassismus hat eine Jahrhunderte alte Geschichte. Wie der Rassismus ist auch diese Diskriminierungsform im wesentlichen durch den Kolonialismus und dem daraus entstandenen Orientalismus geprägt worden. Allerdings sind hier auch antimuslimische Stereotype die im 12. und 14.Jahrhundert in Europa mit den christlichen Kreuzzügen entstanden eingeflossen.



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Bild einer fliegenden Taube

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales durch den Bayerischen Jugendring gefördert.